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Landeskultur: Afrika / Uganda

Afrika / Uganda

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Landeskultur:
Typisches Wissen, Können bzw. Interessen eines bestimmten Landes oder einer Region.


Beschreibung:
Aufzeichnungen Oktober 2003

„Afrika ist wahrscheinlich das erste Zuhause der Menschheit, aber das letzte, das wirklich bewohnbar gemacht werden sollte, ein Opfer der menschlichen Vernachlässigung.“
Ali A. Mazrui, The African condition: The Reith Lectures 1980

Der 9. Oktober ist Independence Day ist Feiertag in Uganda, aber für viele dennoch kein Grund zum Feiern. 41 Jahre nach der Unabhängigkeit von Großbritannien haben viele nicht mehr als ihr nacktes Leben. Man lässt seinem Unmut mehr oder weniger freien Lauf. Im „Monitor“ stellt ein Leser fest, dass Uganda verglichen mit Großbritannien auch nach 41 Jahren noch genau so unterentwickelt ist.

Afrika, der Kontinent, der sich nicht entwickeln lässt? Afrika das Fass ohne Boden, in das schon Billiarden Summen an Entwicklungshilfe geflossen sind, ohne spürbaren Erfolg. Also sind die Afrikaner eben selbst an ihrem Elend schuld. Schließlich war Idi Amin, der „afrikanische Hitler“, ja auch von hier. Also besser Hände weg. Sollen die doch selber sehen, wie sie klar kommen. Wir kaufen ihnen eben nur die Bodenschätze und Rohstoffe ab, vielleicht ein paar leckere Früchte und ein Safari-Urlaub lässt sich hier auch ganz nett verbringen. Aber Geschäfte kann man hier nicht machen, die sind einfach zu arm.

Simpel aber gängig aus europäischer Sicht. Zu allem Überfluss gibt es dazu die passenden Bilder und Erlebnisse, die all das zu bestätigen scheinen. Die runtergekommenen elenden Hütten, wo man doch mit etwas Farbe so viel machen könnte. Die fehlenden oder provisorischen Abwasserkanäle, wo doch jeder weis, dass es zwei Mal im Jahr eine Regenzeit gibt; die Anarchie im Straßenverkehr, die ein Verkehrschaos nach dem anderen hervorruft; die Unvernunft, mit der die Ugander alles übertreiben müssen, jedes Fahrzeug überladen, jede Lautsprecheranlage übersteuern, ihre Teller mit Essen überfrachten dass einem der Appetit vergeht, beim Einkaufen alles gleich mehrfach in Plastiktüten verpacken... . Es tut mir weh, wenn ich erlebe, wie sie ihre leeren Plastikflaschen oder – Tüten ganz selbstverständlich aus dem Autofenster werfen, wie unbekümmert sie mit dem über sie gekommenen Wohlstandsmüll ihr wunderbares Land verdrecken. Es ist erschreckend, wie die Wohlhabenden ihren Reichtum zur Schau stellen und sich gleichzeitig vor der armen Masse ihrer Landsleute hinter meterhohen Mauern und Stacheldraht verschanzen. Es ist widerlich, mit ansehen zu müssen, wie sie ihre fetten Bäuche umspannt von weiße Hemden, Krawatten und Maßanzügen in blank polierte japanischen Geländewagen schieben, wo die Mehrheit der Bevölkerung in bitterster Armut lebt. Körperfülle ist hier noch ein Zeichen von Wohlstand und die Arroganz der Macht noch ursprünglich.

Trotzdem bin ich hier. Warum eigentlich? Weil ich zu Hause zunehmend unzufriedener geworden bin und neue Herausforderungen gesucht habe? Weil ich an die Hilfe zur Selbsthilfe glaube? Weil ich mit meinem Wissen und meinen Erfahrungen vielleicht den Horizont für ein paar junge Menschen erweitern kann? Weil ich immer noch neugierig auf Neues bin? Weil ich das Gefühl habe, von dieser Welt erst so wenig gesehen zu haben? Weil ich ein unverbesserlicher Weltverbesserer bin? Vielleicht von allem etwas. Es ist jetzt auch nicht so wichtig, denn ich bin hier und habe einen Job zu machen, so gut ich es kann, das ist das Mindeste. Auf meine Erfahrungen und meine Kenntnisse kann ich mich verlassen. Sie geben mir Selbstvertrauen. Mit der Zeit erkenne ich aber auch immer mehr Grenzen. Sie fordern mich heraus, dämpfen aber auch meinen Optimismus. Die erfahrenen Kollegen meinen, dass man erst nach einem Jahr richtig wirkungsvoll arbeiten kann. Diese Zeit gibt man mir leider nicht. Aber ich lerne natürlich jeden Tag etwas Neues dazu. Das ist manchmal recht anstrengend, bringt mir aber auch kleine Erfolgserlebnisse.
Afrika fuer Anfaenger

Uganda sei Afrika fuer Anfaenger, sagt man. Zum Beispiel die Bettler- Krüppel, Ausgestoßene, Frauen mit Kindern, Kinder. Sie sitzen vor allem an jenen Straßenabschnitten, wo sich unweigerlich die täglichen Staus bilden und atmen den unsaeglichen Gestank tausender Fahrzeuge ein. An einer dieser Stellen stand beinahe jeden Morgen ein Mann, sauber gekleidet und aufgrund seiner Groesse nicht zu uebersehen. Sein Gesicht, oder besser das was davon uebrig war, werde ich nicht vergessen. Augenbrauen, Nase und Lippen waren von der Lepra zerstoert. Eine unglaubliche Fratze, die kein Maskenbildner fuer einen Horrorfilm nachahmen koennte. Die erste Begegnung kam so ploetzlich und unverhofft, dass es ein regelrechter Schock fuer mich war. Ich habe einen grossen Schein aus meiner Brieftasche gezogen und ihm durch das Autofenster zwischen die Armstuempfe gereicht. Seither war ich so etwas wie sein Freund, den er jeden Morgen besonders freundlich mit einer Grimasse, die wohl Laecheln ausdruecken sollte, begruesste. Ich hingegen hatte Alptraume und musste mich jeden taeglich neu ueberwinden, diese Fahrstrecke zu nehmen. Aber ich wollte auch nicht weg schauen, wie die meisten anderen Autofahrer. Manchmal braucht es einigen Mut, um menschlich zu sein. Dennoch war ich manchmal erleichtert, wenn er nicht an der Strasse stand. Die Tragik dieses Mannes besteht darin, dass Lepra in einem fruehen Stadium heute erfolgreich und preiswert zu behandeln ist, fuer ihn aber jede Hilfe zu spaet kommt.

Anpassung ist überlebenswichtig. So zum Beispiel im Straßenverkehr, wo das Recht des Stärkeren uneingeschränkt gilt. Vorfahrt hat wer sich traut. Wer bremst, der verliert. Überholt wird rechts wie links. Besonders Zweiradfahrer kommen einem auch auf der eigenen Spur entgegen, sogar in der Dunkelheit und ohne Licht. Nachdem mich das die ersten zwei Wochen ziemlich genervt und angestrengt hat, schwimme ich jetzt ganz selbstverstaendlich im Verkehrsstrom mit. Man akzeptiert die Spielregeln oder endet mit Herzinfarkt. Ich habe mich für die erste Variante entschieden und vergesse ab und zu meinen guten Manieren, weil diese stets als Schwaeche interpretiert und ausgenutzt werden.
Wenn hier also etwas gefaehrlich ist, dann die Strassen. Leider mussten wir schon mehrere Unfaelle mit ansehen, auch einen mit toetlichem Ausgang.

Aufzeichnungen November 2003

Grauer November in Germany. Die Welt ist ungerecht. Wenn mir mal kalt ist, reicht in der Regel ein langärmliges Hemd. Pullover und Jacken liegen unberührt im Schrank. Die Kühle am Morgen oder nach einem heftigen Tropenregen ist sehr angenehm. Der Gedanke an die heißen Monate Januar und Februar macht mich hingegen etwas unruhig. Dabei an Weihnachten zu denken ist fast ein unmöglich. Aber wir hat schon Weihnachtsschmuck gekauft, Nashörner, Giraffen und Zebras aus Bananenblättern. Plätzchen werden natürlich auch gebacken und zum Adventskaffeetrinken haben wir Freunde eingeladen.

Ich staune, wie schnell wir uns trotz aller Probleme nach reichlich zwei Monaten hier eingelebt haben. Wir sind beide ausgeglichen und managen unseren Alltag recht souveraen. Vielleicht ist das aber auch ein erstes Anzeichen unserer „Afrikanisierung“. Ueberhaupt hat sich vieles normalisiert, seit wir ein neues zu Hause haben. Ich hätte mir nicht träumen lassen, mal in solch einem Haus zu wohnen. Es gehört zweifelsfrei zu den angenehmen Seiten unseres Afrika-Abenteuers. Wir haben uns mittlerweile auch an die zahlreichen Mitbewohner – Kröten, Geckos, Eidechsen, Ameisen usw.- gewoehnt. Ich geniesse die lauen Abende nach einem langen, meist anstrengenden Arbeitstag. Einfach abspannen und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Gewöhnlich verlasse ich gegen 7.30 Uhr das Haus, um mich durch den morgendlichen Berufsverkehr ins Büro zu quälen. Gegen 18.00 Uhr bin ich dann wieder zurück und der Alltagsstress fällt von mir ab. Unser Wachmann und Gärtner Sebastian empfängt mich am Tor. Dann tauschen Susanne und ich unsere Tageserlebnisse aus. Ich freue mich immer schon auf das leckere warme Essen, welches unsere Haushälterin Martha für uns zubereitet. Seit kurzem freue ich mich auch auf unser jüngstes Familienmitglied Holger, einen acht Wochen alten und sehr munteren kleinen Kater. Der Name ist eine Antwort auf Kater James aus Berliner. Susanne wollte unbedingt eine Katze. Wie der Zufall so spielt, hatte eine Freundin gerade Katzennachwuchs ab zu geben. Ich war anfangs nicht so begeistert, aber seit der kleine Kerl da ist, bin ich entzückt. Seit ich 10 Jahre alt war und eine Schildkröte hatte, ist er das erste eigene Haustier. Wir toben und schmusen um die Wette. Nach dem Essen schläft Holger auf meinem Schoß, während ich meine allabendliche Pfeife paffe. Dazu zirpen die Zikaden, die sich mit den Fröschen im nahen Sumpf eine wahre akustische Schlacht liefern. Aus der Ferne mischt sich der Singsang des Muezzins darunter. Komisch, dass ich dabei an Mustafas Chorabenteuer denken muss.

Die Arbeit macht Spaß, weil ich fast jeden Tag etwas neues lernen und neue Erfahrungen machen kann. Außer dem Youth Truck und riesigen Erwartungen daran habe ich hier nicht viel vorgefunden. Aber mittlerweile sind die ersten Fortschritte zu erkennen. Ich habe ein Konzept geschrieben und ein Team von acht Leuten aufgebaut. Das Konzept wird noch diskutiert und das Team durch mich in mobiler Jugendarbeit und Spielpädagogik geschult. Mittlerweile hat auch die praktische Erprobung mit mehreren Einsätzen im Westen des Landes und in Kampala begonnen. Es wird aber noch lange dauern, bis das Team selbständig arbeiten kann. Leider geht das einigen hohen Beamten im Ministerium immer noch zu langsam, was mir ganz schön zu schaffen macht. Aber ich versuche dem Druck Stand zu halten.
Wenn wir nicht gerade unterwegs sind, verbringe ich die meiste Zeit in meinem kleinen Büro am Schreibtisch, aber mit hervorragendem Blick auf die Stadt. Da ist ein „business lunch“ schon mal eine willkommene Abwechslung, auch wenn dabei Hemd und Krawatte Pflicht sind. Mein Englisch wird langsam besser, auch wenn ich immer noch nicht alles verstehen geschweige denn ausdrücken kann. Die schriftlichen Sachen dauern noch ziemlich lange. Aber das kann man alles lernen.

Aus Leipzig hören wir zur Zeit nur unerfreuliche Nachrichten. Und schlechte Nachrichten gibt es hier auch im Überfluss. Das ist schade, aber irgendwie auch weit weg. Im Moment bekommen wir von dem, was außerhalb Ugandas passiert, nicht viel mit. Aber wir vermissen weder Fernsehen noch Radio. Wenn ich es schaffe, lese ich im Büro die beiden Tageszeitungen. Was wirklich fehlt, ist ein eigener Internetzugang, den wir in den nächsten Wochen hoffentlich erhalten werden.